Unter der Stadt

MAM:manufaktur für aktuelle musik arbeitet mit dem Frankfurter Komponisten Hannes Seidl in zwei neuen Stücken zusammen: 21 Songs in a Public Surrounding und B-Ebene. Underground Stories widmen sich den Zwischenräumen, dem Gleichzeitigen, und feiern die Vielstimmigkeit.

B-Ebenen sind großartige Bühnen. Gerahmt von gekachelten Säulen und Wänden, beleuchtet von gelblichem Licht, wirken diese Ebenen zwischen U-Bahngleisen und der Oberwelt wie ein Konzentrat der Vielstimmigkeit der Stadt. Hier wirkt jeder Gang wie ein Auftritt, jedes (Selbst-)Gespräch wie eine kleine Szene. Wartende Personen, Verkäufer:innen, die Obst und Getränke anbieten, oder Jugendliche, die sich hier die Zeit vertreiben, werden zu lebenden Tableaus.

Aus Beobachtungen und Aufzeichnungen von U-Bahnstationen, aus Interviews mit Menschen, die dort ihren Tag verbringen oder nur auf Durchreise sind, entwickeln acht Musiker:innen des Ensemble MAM.manufaktur für aktuelle musik gemeinsam mit Jugendlichen aus Frankfurt und Berlin ein Stück, das die Vielstimmigkeit feiert.

In einer von der Szenografin Natalia Orendain geschaffenen Theaterlandschaft entsteht das Porträt einer Stadt aus verschiedensten Perspektiven: wie sie sein könnte, wie sie vielleicht einmal war, wie sie sich selbst sieht. Eingehüllt in das Grundrauschen von Schritten, Lüftungen und U-Bahnen entstehen wie beiläufig kleinere und größere Gruppen, die gemeinsam musizieren, malen, einfach abhängen oder Geschichten erzählen. In das wie selbstverständlich wirkende Zusammenspiel blitzen vereinzelt Momente des Unwahrscheinlichen, Fantastischen ein, um Teil der polyphonen Mehrchörigkeit zu werden.

Die Uraufführung von B-Ebene. Underground Studies fand im Frühjahr 2024 am Mousonturm in Frankfurt statt. Die Neuausgabe in Berlin Neukölln hat beim Berliner Festival für aktuelles Musiktheater BAM! im November 2025 Premiere.

In 21 Songs in a Public Surrounding ziehen Musiker:innen von MAM durch die B-Ebenen europäischer Großstädte, knallbunt, laut und mit anarchischer Freude. Sie durchbrechen den geschäftigen Alltag unter der Stadt und laden dazu ein, sich dem Ort und seinen Klängen, Gerüchen, Menschen zu öffnen – mit der Freiheit, alles auch ganz anders wahrzunehmen. Sie rufen dazu auf, für einen kurzen Moment gemeinsam sich selbst und den Moment zu feiern, trotz und wegen all dem, was an Unabgegoltenem, Unfertigem, Unmöglichem, womöglich Peinlichem unter die Oberfläche der Stadt dringt. Die Gruppe erschafft dabei ein merkwürdiges Kollektiv mit ihren Songs, einem wilden Mix aus energetischer Musik, Bekenntnis und normalerweise gut geschützten Unsicherheiten, die sie durch Eingriffe in den öffentlichen Raum quer durch Europas Untergrundpassagen aufspürt. Wer sind diese Wesen? Ihre Namen klingen wie Passwörter, von „den Menschen“ distanzieren sie sich stets durch Anführungszeichen. Anscheinend reisen sie durch die Zeit. Sind sie posthuman? Aliens? Oder einfach nur verkleidete Sozialarbeiter*innen?

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